Der Krieg begann
mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen. Dieser Angriff erfolgte ohne
vorherige Kriegserklärung am 1. September 1939. Die Ausweitung des Kriegs
auf die Vereinigten Staaten und Asien erfolgte durch den japanischen Angriff
auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 und dadurch, dass das Deutsche Reich
und Italien vier Tage später den Vereinigten Staaten den Krieg erklärten.
Einige Bärstadter empfanden den Krieg als absehbares
Ereignis. Der Tonfall in der Berichterstattung über Radio oder Zeitung wurde
schärfer - es wurde Stimmung für den Krieg gemacht.
Kriegsverlauf:
Polen (01.09.1939 - 27.09.1939)
Norwegen und Dänemark (09.04.1940 - 09.05.1940)
Der deutsche Angriff im Westen (10.05.1940 - 22.06.1940)
Die Luftschlacht um England (Aug. - Sept. 1940)
Nordafrika, Griechenland und der Balkan (10.06.1940)
Unternehmen Barbarossa (22.06.1941)
Japanischer Angriff auf Pearl Harbour (07.12.1941)
Schlacht von Stalingrad (13.09.1942
– 02.02.1943)
Bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht
(09.05.1945)
Langsam zogen dunkle Wolken am Horizont auf. Im März 1939 wird Prag
besetzt, und die Drohungen gegenüber Polen verstärken sich. Das Leben im Dorf
geht weiter seinen üblichen Gang, Aussaat und Ernte im Rhythmus der Natur. Doch
immer mehr verdichten sich die Wolken und die Älteren erzählen von Parallelen
zum Jahr 1914, als in der heißen Sommerzeit, mitten in der Ernte, die
Mobilmachung kam. Doch die Ernte war soweit eingebracht, Roggen, Weizen und
Gerste, nur der Hafer stand noch teilweise draußen auf "Kasten" im
Feld. Es kam keine
Mobilmachung mit dem Läuten der Glocken wie damals, als man aufhörte mit dem
Roggenschnitt und heimeilte mit Reff und Sichel. Es war ja auch vier Wochen
später und doch kam es über Nacht vom 25. auf den 26. August 1939 wie
ein Gewitter aus heiterem Himmel, in Form von Einberufungen und Befehlen. Die
ersten Soldaten mussten sofort einrücken, dann weitere am nächsten Morgen.
Abgegeben werden mussten Pferde für die Wehrmacht. Diese wurden vor dem Rathaus
durch den Militärveterinär, Bürgermeister und den Ortsdiener gemustert und
später abgeholt. Hierfür gab es eine geringe Entschädigung. Es gab die ersten
Tränen, denen noch so viele folgen sollten in diesem Krieg. Damit fehlten die Zugtiere, die den Pflug
und den Wagen zogen. Es begannen die Wochen mit Aushilfen von Kuh- und
Ochsengespannen, bis im Herbst dann erste Beutepferde aus Polen kamen. Später
kamen auch verletzte und geheilte Tiere zurück, die recht scheu waren. Der
Polenfeldzug war schnell beendet, innerhalb von 4 Wochen hatte sich Deutschland
die Hälfte von Polen einverleibt. Es folgte als Reaktion die Kriegserklärung
Frankreichs und Englands.
Am 10. Mai 1940 beginnt der Angriff im Westen. Man hing nun gespannt vor
den Radios und hörte von den schnellen Erfolgen. Damit scheint sich das Drama
vom 1. Weltkrieg (Stellungskriege, gegenseitiges Morden bei Verdun und an der
Somme) nicht mehr zu wiederholen. Frankreich kapituliert, und die Begeisterung
im Land ist groß. Hitler triumphiert und keiner kann ihn oder seine Bewegung
mehr zurückhalten. Die Kriegsmaschinerie stampft weiter. Mit dem Kriegsbeginn werden die Jahrgänge
1915 bis1918 eingezogen. Jahr für Jahr
wurden auch die nachrückenden Jahrgänge
vollständig eingezogen, bis zum
Kriegsende auch die Jahrgänge 1927, teilweise 1928. Selbst Pfarrer
Dietz zog man als Feldgeistlicher ein. Der Ortsgruppenleiter hatte bei
Einberufung junger Männer aus dem Dorf mit zu entscheiden, was ihn nicht gerade
beliebter machte.
Entgegen der Meinung, der Krieg werde bald zu Ende sein, dehnte er sich
mehr und mehr aus und forderte nun seine Opfer, draußen an der Front und in der
Heimat. Die Bombenangriffe auf die Städte nahmen nun zu. Erste ausgebombte
Familien aus den Städten werden auf dem Land einquartiert. So wie Frau Horn mit
ihrem Sohn Peter kamen auch weitere Menschen bei Bärstadter Familien unter. Wer
auf dem Land lebte, hatte den Vorteil, näher an der Nahrung und ferner vom
Luftkrieg zu sein. In Bärstadt gingen
davon unberührt die landwirtschaftlichen Arbeiten weiter. Dabei waren es
zunächst gefangene Polen, die mithelfen mussten im Wald oder bei den Bauern,
dann kamen Franzosen und Russen. In den Häusern durften sie nicht mit am Tisch
sitzen, ihre Mahlzeit nur an einem Nebentisch einnehmen. Hierzu ein Beispiel:
Friedrich Besier der 1. bekam Besuch vom Gendarm aus Schlangenbad. Dieser
monierte sofort dass der französische Kriegsgefangene mit am Mittagstisch saß.
Obwohl oder gerade weil Friedrich Besier Mitglied in der NSDAP und
Bürgermeister war antwortete er brüsk: Der Mann schafft bei mir also isst er
auch bei mir! Damit war das Gespräch beendet. Das Verhältnis zu den
Kriegsgefangenen war durchweg, bis auf eine Ausnahme, als gut zu bezeichnen.
Ein Franzose pflegte nach dem Krieg sogar ein langes freundschaftliches
Verhältnis zu seiner „Gastfamilie“. Die Kriegsgefangenen wurden in Wambach
untergebracht. Morgens brachten Wachsoldaten diese nach Bärstadt und abends
wieder zurück. Nach Hofgröße und Bedürftigkeit verteilte der Ortsbauernführer
Philipp Kaiser die Kriegsgefangenen. Dies gereichte im später zum Nachteil.
Alle verbliebenen männlichen Bärstadter waren „UK“, also unabkömmlich.
In den letzten Kriegstagen wird aus Ihnen der Volkssturm gebildet. Zur
Heimatverteidigung herangezogen und ausgebildet wurden bald auch Hitlerjungen
ab 14 Jahren, Kranke und Versehrte und ältere Männer im Volkssturm. Sonntags
übte ein buntes Häuflein auf dem Schießplatz am Schneeberg mit Volkssturmführer
Klinkert an Gewehren und Panzerfäusten. Zum ernsthaften Einsatz kamen sie
jedoch nicht, lediglich eine Panzersperre wurde in den letzten Kriegstagen in
Gladbach und auf dem Weg zwischen Wambach und Schlangenbad errichtet.
Langsam spürten auch die Bewohner auf dem Land, dass sich die
Versorgungslage verschlechterte. Es wurde vieles rationiert und eingeführt, wie
z.B. Lebensmittelkarten und Bezugsscheine. Die Kinder mussten Bucheckern und
Heilkräuter im Wald sammeln und an Sammelstellen abgeben. Hühner und Schweine
wurden gezählt, Getreide wurde abgewogen. Flachs musste zur Öl- und
Fasergewinnung angepflanzt werden. In den Zimmern werden jetzt die Bilder von
Adolf Hitler aufgehängt und „Mein Kampf“ wird gekauft - meist aber nicht gelesen.
Im Jahr 1940 bekam Bärstadt eine Scheinwerferbatterie auf dem Mühlberg.
Hier waren Scheinwerfer mit Horchgeräten und Unterkünfte für Soldaten
untergebracht. Im Ernstfall wurden die amerikanischen Bomberkonvois angestrahlt
und von der Flak bei Hausen beschossen. Bauern hatten verschiedene Fahrdienste
zu erbringen. Daheimgebliebene Männer wurden eingeteilt an der
Scheinwerferbatterie für den Bereitschaftsdienst während der Nacht. Später
wurden auch noch Flak-Helferinnen an den Anlagen ausgebildet. In den letzten
Kriegsjahren war regelmäßig Alarm, man leuchtete dann am Himmel die Bomberverbände für den Flakbeschuss an.
Das Horchgerät ermöglichte die Ortung.
Nachts mussten die Häuser verdunkelt werden, um kein Ziel zu bieten. Der
Ortsgruppenleiter kontrollierte die Umsetzung. Um Fahrzeugen bei Dunkelheit
eine Orientierung zu geben strich man die Ecken der Häuser an der Hauptstraße
weiß an. In der Kirche wurden Kränze mit Schleifen für die gefallenen Soldaten
aufgehängt, bis zum Kriegsende war die Kirche voll damit. Insgesamt starben in
Folge des 2. Weltkrieges ca. 30 Bärstadter Soldaten. Nach einem Luftkampf
stürzte ein Jagdflieger tödlich an der Dreispitz ab.
Neugierige Jugendliche fanden nur noch einzelne Körperteile. Die Überreste von
Flieger und Maschine wurden während der Nacht durch eine Totenwache gesichert
und am nächsten Tag abgeholt.
Mit den ersten massiven Bomberangriffen der Engländer kam 1941 der Krieg
auch nach Deutschland. Das Ende der
Schlacht von Stalingrad 1943 bildete den Wendepunkt des Krieges. Die Invasion
der Amerikaner in der Normandie 1944 brachte die Front immer näher.
Tiefflieger erschwerten die Arbeit auf den Feldern, auf Bauern oder
Tiere wurde in Wildwest- Manier geschossen. Die Amerikaner drängten von Westen
und Süden kommend die deutschen Truppen immer weiter zurück. Die
Kriegsbewegungen auf deutscher Seite
werden in den letzten Kriegtagen immer unübersichtlicher. Aus dem
Kriegstagebuch vom 27.03.45 des Oberkommandos der Wehrmacht ist folgendes
bekannt: ... „Aus dem Brückenkopf von Remagen gelangt den Amerikanern der
Durchbruch. Das 117. Armeekorps wurde überrollt. Feindliche Spitzen kamen bis
in den Raum Limburg. Von Süden wird die 1. Pz.- Division und 6. SS-
Gebirgsjägerdivision herangeholt. Versucht wird ein Widerstand in der Linie
Dill- Lahn- Sieg“.
Aufgrund der Schilderungen gehen wir davon aus, dass die 6. SS-
Gebirgsjäger Division „Nord“ auch durch Bärstadt zog. Außerdem war kurzfristig
jene Pioniereinheit hier, die die Kaiserbrücke in Mainz sprengte. Auf jeden
Fall wurden in den letzten Kriegstagen sechs 8,8 Flakkanonen am Tiergarten
aufgestellt. Die Soldaten fanden Unterschlupf in Zelten und in der benachbarten
leeren Dreschhalle. Am 23.03.45 überflog dann ein Aufklärungsflugzeug den Raum
Bärstadt und verfolgte einen Kradfahrer der Wehrmacht. Am alten Kirchhof lagen
zeitweise rückwärtsziehende Wehrmachtstruppen. Möglicherweise wurde aus dem
Grund eine Bombe in der Nähe des Rathauses abgeworfen. Dies sorgte für
erheblichen Schaden und Tote in der Nähe des Einschlagorts. Hierbei starb auch
der kleine Junge Peter Horn, dessen Grab sich heute noch auf dem Friedhof
befindet. Ein paar Tage später eröffnete die Flak am Tiergarten ab 19 Uhr einen
lange andauernden Beschuss. Ab Mitternacht schossen dann die Amerikaner bis um
6 Uhr früh zurück. Hierbei entstand erheblicher Schaden an verschieden Häusern.
Die Bewohner suchten Schutz in provisorisch verstärkten Kellern oder
Feldverstecken. Während dieses Beschusses wurde Hertha Klinkert schwer am Bein
verletzt. Ohne Rücksicht auf das eigene Leben brachte ein französischer
Kriegsgefangener während des Beschusses die Verletzte nach Schlangenbad ins
Lazarett. Am nächsten Tag begann das große Aufräumen. Tote Pferde mussten
weggeräumt und Häuser bewohnbar gemacht werden. Viele Fensterscheiben gingen zu
Bruch, Dächer waren abgedeckt, manchmal musste ein altes Kuchenblech oder ein
Karton als Lückenfüller herhalten. Bevor die Amerikaner anrückten, sprengten
deutsche Soldaten die Rohre der 8,8 Flak. Vieles an
Ausrüstung blieb einfach liegen.
Am 30.03.1945 marschierten die Amerikaner von Hausen kommend in Bärstadt
ein. Ein Tag zuvor war das Dorf bereits von ihnen beobachtet worden. Konrad
Schäfer wollte einen Tag vor dem Einzug der Amerikaner auf die Dreispitz zu den
deutschen Soldaten gehen. Zu seiner großen Überraschung waren dort aber bereits
die Amerikaner... Den alten Hauser Weg
hinab bewegten sich dann die Amerikaner ins Dorf. Vor einem Jeep liefen zwei
amerikanische Soldaten mit Metalldetektoren. Am Ortsrand schritt ihnen Heinrich
Besier („Jahne Heine“) mit einer weißen Fahne entgegen. Dieser war vor dem
Krieg Portier in einem englischen Hotel und konnte sich deshalb verständigen.
Er erklärte, dass das Dorf kampflos übergeben wird. An den Fenstern der Häuser
waren überall weiße Betttücher aufgehängt. Eilig waren vorher Hitlerbilder oder
verräterische Photos verbrannt worden. Nun erschallten fremde Schreie und
Befehle im Dorf. Die aus allen Kellern und Häusern herausgeholten Einwohner
blickten in MP-Läufe und in vor Aufregung verschwitzte Gesichter. "Wo
Soldat, wo Waffen?“ Mit diesen Fragen wurden sämtliche Häuser durchsucht. Die
aufgespürten deutschen Soldaten stellten sich mit erhoben Händen vor dem Haus
Hauptstraße 17 (Johann Friedrich Besier) der Visitation der Amerikaner. Man
konfiszierte Waffen, Ferngläser und Fotoapparate sowie die Häuser an
strategisch wichtigen Punkten. Nahezu das gesamte Oberdorf war hiervon
betroffen. In der Scheune von Josef Besier stand noch ein Kofferwagen voll mit
Wehrmachtsausrüstung. Dieser musste entladen und zu einer Sammelstelle gebracht
werden. Neugierig ließ sich ein amerikanischer Offizier eine Kiste öffnen. Er
entnahm zwei in Wachspapier eingewickelte Handfeuerwaffen, steckte sie unter
den Mantel und ließ den Wagen weiter entladen. Die amerikanischen Soldaten
machten es sich in den Wohnhäusern bequem. Die Eigentümer mussten bei
Verwandten oder auch in der Scheune schlafen. Es wurde eine Ausgangsperre
zwischen 18 und 9 Uhr angeordnet, lediglich die Tiere durften versorgt werden.
In den nachfolgenden Tagen wurden dann noch Wehrmachtsoldaten aus dem Badwald
ins Dorf geführt. Die Amerikaner blieben
ca. 7-10 Tage und rückten dann ab. Nicht ohne Marmeladengläser zu leeren
oder Weinflaschen mitzunehmen. Die
Soldaten bedankten sich auf ihre Art für die Unterbringung in Bärstadt. In das
Kopfkissen oder das Sauerkrautfass wurde ein großer Haufen gemacht, ein anderer
schnappte sich das Motorrad aus der Scheune, den Klapp-Zylinder vom Dachboden
und fuhr über den Acker, bis der Sprit leer war und lies es dort liegen.
Mit den Amerikanern kam auch das Ende des Nationalsozialismus - damit
begann praktisch die „Stunde Null“. Doch das Landleben ging seinen gewohnten
Trott weiter. Bürgermeister Friedrich Besier wurde, da parteilich belastet,
durch Karl Häuser ersetzt, der diese Aufgabe schon vor dem Krieg inne hatte. Ihm oblag es nun, die Befehle und Anordnungen
der Besatzungstruppen auszuführen.
Noch Monate und Jahre später lag verstreut Munition herum. Andere Teile
wie Bekleidung fanden Verwendung in der Landwirtschaft oder Haushalt. Die
Kinder spielten noch lange Zeit an der 8,8 Flak und nutzten sie als
Drehkarussell. Munition wurde geöffnet und funkensprühend abgebrannt. Die Leute
waren gegenüber den Gefahren langsam abgestumpft. Erst der Tod von Winfried
Strack rüttelte die Erwachsen auf. Zusammen mit seinem
Freund Werner Lang wollte er das Pulver aus der Patrone im Schraubstock
entnehmen, um dies dann abzubrennen. Hierbei zündete die Ladung und beide
wurden erheblich verletzt. An den Folgen der Verletzung verstarb Winfried
Strack.
Durch die Kriegsfolgen kamen 1946 die ersten Heimatvertriebenen -
überwiegend Sudetendeutsche - mit Zügen und ohne Nahrung in Bad Schwalbach an.
Nach Tagen im Zwischenlager Hof Mappen (ehemaliges Arbeitsdienstlager) erfolgte
die Verteilung durch den Landrat bei Bärstadter Familien. Bei großer räumlicher
Not und ohne Hab und Gut, musste viel improvisiert werden. Lediglich 50 Kilo
Gepäck durfte bei der Vertreibung aus dem ehemals deutschen Sudetenland
mitgenommen werden. Das Einleben erfolgte deshalb so reibungslos, weil man
bemüht war, gemeinsam nach dem Krieg wieder etwas aufzubauen. Wenige
Vertriebene zogen wieder weg, wer heute hier wohnt ist fester Bestandteil des
Dorflebens. Probleme bereiteten nur hin und wieder die Rufnamen der Bärstadter.
Hierzu eine Anekdote: Marita Eisenberger sollte dem „Kibbel Emil“ (Emil Heuser)
aus Bärstadt etwas vom Bauunternehmer Krautworst aus Bad Schwalbach übermitteln. Bei Emil
Heuser angekommen, fragte sie freundlich nach Herrn Kibbel. Dieser musste
hierbei natürlich lachen und klärte sie über den Namen auf. Um alle Rufnamen
der Einwohner zu kennen bedurfte es schon etwas Zeit. Bei den Namen gab es auch
keine besondere Logik. So hieß Philipp Kaiser, „Post- Philipp“, weil er kurze
Zeit die Poststelle hatte. Der „Hull Adolf“ hieß eigentlich Adolf Besier, er
wohnte aber an der Hull, deshalb der Beiname. Ähnlich war es bei „Bachschneidersch Karl“, mit richtigem Namen
hieß er Karl Besier, wohnte aber am Wallufbach im Haus Schneider. Die Mutter
von Heinrich Höhn hieß Katharina Kunz. Deshalb bekam er den Namen „Katte-
Heine“. Man könnte diese Reihe noch weiter fortsetzen. Heute haben sich diese
Zuordnungen auf Grund der großen Namensvielfalt nicht mehr ergeben, bestenfalls
ein Spitzname ist geblieben.
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Als erste Verwaltungsaufgabe der Amerikaner erhielten alle Bärstadter
zeitweilige Registrierungskarten. Als Beispiel ist die unserer Oma Lina
Kaiser beigefügt. |
Bis zum Inkrafttreten der Währungsreform wurde zur
Sicherstellung der Ernährung an den Bezugsscheinen festgehalten. Am 30. August 1945 wurde die Proklamation Nr. 1 des Alliierten
Kontrollrates erlassen. Diese regelte die Regierung und Verwaltung in
Deutschland.
Mit
der Proklamation Nr. 2 wurde das Bundesland Hessen am 19.09.1945 gegründet. Am 20. und 27. Januar 1946 fanden in den kleineren
Gemeinden, am 28. April in den Landkreisen, am 26. Mai in den größeren Städten
die Wahl der Gemeindevertreter, Kreistagsabgeordnete und Stadtverordnete statt.
Mit der Währungsreform in den drei Westzonen in der Nacht
vom 20. zum 21. Juni 1948 und der darauf folgenden Währungsreform in der Ostzone
sowie der Berlin-Blockade wurde die Spaltung Deutschlands besiegelt. Damit
wurden die Bezugsscheine abgelöst und das neue Geld eingeführt. Damit normalisierte sich das Leben langsam wieder. Eine der
wichtigsten Aufgaben war es, die Weichen in die Zukunft für die heranwachsende
Jugend zu stellen.
Aufgrund des für die gesamte amerikanische Besatzungszone erlassenen "Gesetzes für die Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus" (5. März 1946) war die gesamte Bevölkerung mittels Fragebogen und Spruchkammern "entnazifiziert" worden.
Bei deren Verhandlungen in Bad Schwalbach,
entschieden unter dem Vorsitz eines Juristen mindestens 2 Beisitzer über den
politischen Status der NS-Angehörigen, welche in 5 Klassen eingestuft wurden:
Klasse 1: Hauptschuldige
Klasse 2: Belastete
Klasse 3:
Minderbelastete
Klasse 4: Mitläufer (z.T. zu Geldstrafen
verurteilt)
Klasse 5: Entlastete
In
weiteren 10 Klassen wurde das verhängte Strafmaß notiert:
Klasse 6: Einweisung in ein Arbeitslager
Klasse 7: Heranziehung zu Sonderarbeiten
Klasse 8: darf nur in gewöhnlicher Arbeit
tätig sein
Klasse 9: Verlust aller bürgerlichen Rechte
Klasse 10: Wohn- und Aufenthaltsbeschränkung
Klasse 11: Verlust aller Titel und des
Führerscheins
Klasse 12: Verbot, als Lehrer, Prediger,
Journalist oder Schriftsteller tätig zu sein
Klasse 13: Beteiligungssperre an
wirtschaftlichen Unternehmen auf Bewährung
Klasse 14: Beschränkung in der Ausübung
eines freien Berufes
Klasse 15: Verbot der Fortführung eines
Unternehmens
Entsprechend
dieser Zuordnung wurden später die Kennkarten der Verurteilten gekennzeichnet.
Beispiele:
Jakob Besier musste als ehemaliger
Ortsgruppenleiter nach Kriegsende vor die Spruchkammer treten. Er wurde zu einem
Jahr gemeinnütziger Arbeit im Wald verurteilt.
Förster Klinkert hatte sich lange Zeit vor der Spruchkammer zu
rechtfertigen. Förster Klinkert war Feldwebel des ersten Weltkriegs und vertrat
die Interessen der damaligen „Deutschen Volkspartei“ also nicht der NSDAP. Als Beamter dürfte ihm auf Dauer nichts
anderes übrig geblieben sein, als das Fähnchen in den Wind zu hängen und für
die NSDAP zu stimmen. Außerdem wurde er von einigen Hausern immer aufgefordert,
sich politisch einzuordnen. Nach den anfänglichen Erfolgen Hitlers war er
überrascht und konnte sich mit der Bewegung anfreunden. In den letzten
Kriegstagen wurde er dann
Volkssturmführer. Dies brachte im später Probleme vor
der Spruchkammer. Nach dem Krieg durfte er deshalb eine zeitlang seiner Aufgabe
als Förster nicht nachgehen.
Philipp Kaiser hatte als Ortsbauernführer die Kriegsgefangen zu
verteilen. Eines Tages beschwerte sich ein Franzose über die schlechte
Behandlung und Essen durch seinen zugeteilten Landwirt. Philipp Kaiser besuchte
diesen und forderte ihn auf, dies zu unterlassen, außerdem wies er ihm einen
anderen kriegsgefangenen Franzosen zu. Es dauerte nicht lange und der neu
zugeteilte Franzose beschwerte sich auch. Daraufhin entzog Philipp Kaiser ihm
den Franzosen. Nach dem Krieg wurde Philipp Kaiser von jenem Landwirt bei der
Spruchkammer angeschwärzt. Durch ein Schreiben der katholischen Schwestern aus
Schlangenbad konnte dies aber widerlegt werden. Es blieb so bei einem Bußgeld.
Viele Bärstadter mussten sich nach dem Krieg rechtfertigen. Viele wurden
als Mitläufer zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nach dem Kriegsende kamen nach und nach die ersten deutschen
Kriegsgefangenen nach Hause. Oft hatten sie vorher eine wahre Odyssee an
Kriegsgefangenlager durchgemacht. Ihre Rückkehr sprach sich wie ein Lauffeuer
herum. Ihnen sind die besten Jahre verloren gegangen. Den
gestorben Soldaten des ersten und zweiten Weltkriegs wird am Volkstrauertag am
Kriegerdenkmal auf dem Friedhof gedacht.